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Herbert der Säger

Feng Shui



Wenn man’s genau bedenkt, gehört das ja zusammen: die Heimwerkerei und die fernöstliche Lehre vom Leben in Harmonie. Beides soll das Leben in den eigenen vier Wänden angenehmer und schöner machen. Aber nicht für meinen Nachbarn Herbert. Er ist zwar passionierter Selbermacher – was ihm den Spitznamen „der Säger“ eingetragen hat –, doch Feng Shui hält er offenbar für einen Angriff auf seine Autonomie und den gesunden Menschenverstand. Am besten lesen Sie einmal selbst ...






An der Haustür klingelte es Sturm. Davor stand Herbert und sah mich verbissen an. „Komm mit!“ Das knappe Kommando wurde von einem Wink seines Pfeifenstiels unterstrichen. Es schien sich um etwas Ernstes zu handeln, also unterdrückte ich den aufkeimenden Widerspruch und trottete hinter meinem Nachbarn Richtung Nebenhaus.

„Jeden Nagel habe ich hier selbst eingeschlagen, jede Schraube angefasst, und jetzt das!“ lamentierte er unterwegs.

„Was denn jetzt?“ Ein wenig neugierig war ich schon.

„Jetzt ist alles falsch.“ Herbert sah verbissen auf seine Pfeife. „Wahrscheinlich ist die sogar falsch.“ Er blickte auf, fand mich ratlos und stemmte die Hände in die Hüften. „Sag mal, hast Du schon mal etwas von Feng-Shui gehört?“

„Klar, das ist so eine Art Voodoo fürs Wohnzimmer.“

„Bloß auf Chinesisch. Ich seh schon, du weißt Bescheid. Jetzt sieh dir das an.“ Wir traten in seinen Hausflur und standen vor dem Garderobenspiegel - hübsch mit gusseisernen Girlanden eingeschnörkelt, darunter ein selbstgezimmerter Stilschrank mit Maiolika-Vase und Trockenstrauß. „Fällt dir daran etwas auf?“

„Was soll ich sagen ... später Siedlungs-Barock oder so.“

„Banause! Nein, das meine ich nicht. Der Spiegel hängt falsch.“

„Wieso falsch? Man kann doch prima reinsehen“

„Das Ding wirft das Chi zurück, das zur Haustür reinkommt.“

„Oha, das Chi! Wenn bei mir ein Chi zur Haustür reinkäme, würde ich es auch rausschmeißen.“

„Nein, das ist das gute Chi, also diese Zeugs mit Yin und Yang, und wenn es reinkommt, ist es in Ordnung.“

„Herbert, du sprichst irre.“ Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Woher hast du diesen Quatsch überhaupt.“

„Aus der Volkshochschule. Ilse wollte unbedingt zu diesem Vortrag, und jetzt haben wir den Salat.“ Herbert fuhr sich mit der Hand durch die schwindende Haarpracht.

„Und was machst du mit dem Spiegel?“

„Ins Wohnzimmer hängen, gegenüber vom Esstisch. Da ballert dann das Chi mit aller Kraft auf uns zu.“

„Und Ilse darf sich im Wohnzimmer den Hut aufsetzen - na ja, wenn ihr damit leben könnt ...“

„Wenn es das nur wäre.“ Herbert stieß die Tür zum Schlafzimmer auf. „Du weißt ja, dass wir hier unten schlafen, zum Vorgarten hin. Das ist auch völlig o.k. so. Jetzt hat aber die Feng-Shui-Beraterin gesagt, dass das Schlafzimmer besser im Obergeschoss nach hinten raus läge. Da wird's im Sommer höllenheiß, wegen der Westseite, du weißt schon.“

„Lass mich raten, dafür gibt's dann jede Menge gutes Chi.“

Herbert verdrehte die Augen und seufzte. „Ja, sicher, und gottweißwassonstnoch. Ich will aber nicht oben schlafen.“

„Dann lass es doch.“

Das war eindeutig die falsche Antwort. „Mein Junge, du hast den Ernst der Lage wohl nicht erfasst. Es geht hier um Leben oder Tod. Entweder wir krempeln das ganze Haus auf den Kopf, oder das gute Chi pfeift nur so aus uns raus. Noch so'n Ding: Die Feng-Shui-Tante ist felsenfest davon überzeugt, dass wir ein Aquarium ins Wohnzimmer stellen sollen. Ich krieg die Krätze, wenn ich Fische nur sehe: Den lieben langen Tag rumblubbern und im Kreis schwimmen ... ich hab schon einen Drehwurm, wenn ich daran denke.“

„Sonst noch was?“

„Ja, allerdings!“ Herbert wirkte jetzt sehr unfroh. „Komm, erst mal ne Flasche Bier aufmachen.“

Etwas später saßen wir in Herberts Gobelin-Garnitur und ließen es zischen.

„Also", holte er aus, „wie Du weißt, bin ich gelegentlich als Heimwerker tätig ...“

Die Untertreibung des beginnenden Jahrtausends. Von „gelegentlich“ kann kaum die Rede sein, und „tätig werden“ ist so ungefähr die harmloseste Umschreibung für Herberts unstillbaren Tatenwahn.

„Ja klar, hin und wieder bastelst Du was ...“

Ein unterirdisch verachtungsvoller Blick war die Antwort. „Nun, Basteln, Heimwerken, wie auch immer. Der Punkt ist: Du kennst meinen Hobbykeller.“

„Der elektrifizierte Stall des Augias, das Destillat der Chaos-Theorie ...“

Eine ungeduldige Handbewegung schnitt mir das Wort ab. „Ist mir klar, wie Du das siehst, als Laie. Um es kurz zu machen: Ich habe der Feng-Shui-Tante mal ein Foto mitgebracht. Sie sollte mir sagen, wie man hier die Energieströme lenken kann. Denn Du weißt: Kraft und elektrische Energie sind so ziemlich das Wichtigste, was ein Heimwerker braucht.“

„Und Köpfchen.“

„Richtig. Und Köpfchen. Das war der Grund meiner Frage an diese weise Frau. Und weißt Du, was sie gesagt hat?“

„Ich höre?“

„Sie hat gesagt, dass es in meinem Keller, also in meiner Heimwerkstatt, dass es da unordentlich ist und dass Ordnung das Ein und Alles für das gute Chi ist.“

Herbert hatte sich erhoben und brachte das erstaunliche Kunststück zuwege, wie eine Mischung aus James Dean und Dany DeVito zu wirken.

„Ich kann doch meine Werkstatt nicht aufräumen! Was denkt die Frau sich? Spiegel, Schlafzimmer, Aquarium ... alles schön und gut. Aber da unten spielt das richtige Leben - Späne, Kabel, Sägeblätter.“

Mein Mitgefühl hielt sich ehrlich gestanden in sehr engen Grenzen, trotzdem war jetzt teilnehmende Heuchelei angebracht: „Also, als Gesamtkunstwerk ... das hat sicher auch jahrelange Mühe gekostet ...“

„Ja.“ Das klang trotzig und stolz zugleich. „Was rätst Du mir?“

Mann! Von einem gestandenen Heimwerker um Rat gefragt zu werden, das gilt mehr als die Erhebung in den Adelsstand. Entsprechend geschmeichelt war ich. „Wie wäre es, wenn Ihr den ganzen Hokuspokus einfach vergesst und auf die Chi-Geschichte pfeift?“

„Ich kneife nicht.“

Ein echter Mann also. „Dann mach einen Spiegel innen an die Tür.“

Eine hochgezogene Augenbraue, ein leichter Hoffnungsschimmer. „Und dann?“

„Dann kann es nicht raus, das gute Chi. Es sieht die Unordnung, will raus, knallt vor den Spiegel, das Kellerfenster ist dicht, wieder vor den Spiegel, und so weiter und so weiter ... In der Zeit sägst Du, was das Zeug hält, und durch die Chi-Bewegung gibt es Energie in großen Haufen. Oder so.“

Herbert lächelte wie ein Buddha. „Du bist ein echter Freund.“ Der zweite Orden an diesem Tag! „So mach ich's. Und der Feng-Shui-Tante sag ich nichts davon. Immerhin“, er hob den Zeigefinger, „immerhin hat man als Heimwerker seine Kunstgriffe, die nicht jeder kennen muss.“ [ha]







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