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Herbert der Säger

Laubsauger



Sollte man sich nicht freuen, wenn man ein schickes Gartengerät zum kleinen Preis bekommt? Mein Nachbar Herbert sieht das ein wenig anders. Er ist zwar bestens mit Stromverbrauchern aller Art ausgerüstet, doch wenn er einen Laubsauger vor die Augen bekommt, dann sieht er rot. Folgerichtig hat er einen privaten Feldzug gegen Billigimporteure im Allgemeinen und Laubsauger aus Fernost im Speziellen begonnen ...






Herbert hat ein neues Spielzeug. Neulich hat er es stolz am Gartenzaun gezeigt: einen Laubsauger.

„Na", ein kritischer Blick meinerseits, „so etwas hat doch heute schon jeder bessere Balkongärtner.“

„Klar!" Herbert kratzte sich unter seinem schmucken Doppelripp-Unterhemd ausgiebig die sommersonnengebräunte Brust. „Aber meiner ist leise." Ein listiges Grinsen, ein Druck auf den Einschalter - und das blecherne Monster dröhnte los wie nichts Gutes.

Herbert nahm seine Pfeife aus dem Mund, in der er tagaus, tagein den Tabak als eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit vernichtet. In der anderen Hand wackelte gefährlich das röhrende Ungetüm. „Jetzt pass auf!" brüllte er, nur mühsam den elektrisch entfachten Orkan übertönend. Herbert senkte den hungrigen Laubsaugerrüssel auf seinen ohnehin picobello gefegten Rasen. Ein letztes Schnorcheln, stöhnend kam der Motor zum Stillstand, und Ruhe war.

„Klasse!" bemerkte ich ratlos und mit klingelnden Ohren. „Die Sicherung ist raus.”

„Genau, die Sicherung ist raus." Herbert grinste und stieß wieder Rauchwolken in die Luft, die zu Reichsbahnzeiten der Baureihe 01 alle Ehre gemacht hätten.

„Klasse", wiederholte ich etwas lahm. „Was ist jetzt der Witz an der Sache? Hättest Du das Ding gar nicht angeknipst, dann wär es jetzt genauso leise."

"Irrtum." Herbert schüttelte den Kopf. „Komm rüber, Flasche Bier aufmachen, dann zeig ich Dir das.“

Zwei Minuten später standen wir in Herberts Keller, ließen die Kronkorken schnappen und blinzelten in den Sicherungskasten.

„Siehst Du das?" Mit dem angekauten Pfeifenstiel deutete Herbert auf einen der Sicherungsautomaten, dessen Schalter geradewegs nach unten zeigte. Auf dem Etikett stand klar und deutlich „9 A”.

„Bisschen schwach auf der Brust, das Teil", kommentierte ich. „Ein Wunder, dass die Sicherung nicht schon beim Einschalten rausgeflogen ist. Und was ist jetzt der Haken an der Sache?“

„Ganz einfach." Herbert wedelte unbestimmt in Richtung Südost. „Du kennst doch den Billigkauf-Markt hinten in der Siedlung. Die verkaufen die Sauger für 49 Euro. Haben natürlich keinen Schimmer von der Materie, aber weil’s aus China kommt, denken die wohl: Was für 1 Milliarde Chinesen gut ist, kann für uns nicht falsch sein.“

„Hm." Ein tiefer Schluck aus der Flasche, ein bedächtiges Kopfnicken. „Und Du hast Dir da das gute Stück geholt, um Deine Sicherungen zu traktieren ...“

„So ungefähr. Vielleicht weißt Du, wie das läuft: Die Chinesen lassen den ganzen Schamott von einem deutschen Importeur ins Land schippern. Der beliefert dann die Lebensmittel-Läden. Wenn sie 100 Stück bestellt haben, bekommen sie 120 geliefert. Reparatur ist dann natürlich nicht. Kommt einer an und meckert über das Gerät, dann drücken sie ihm eins von den 20 überzähligen Dingern in die Hand, und der arme Narr zieht glücklich nach Hause, weil er kulant bedient wurde. Wenn der einundzwanzigste Reklamateur an der Theke steht, bekommt der sein Geld wieder.“

„Und der bist Du.“

„Irrtum.“ Wieder das bekannte Tüftlergrinsen, ein Schluck aus der Pulle, um es spannend zu machen, dann: „Ich war der vierte, der fünfte, der zwölfte, sechzehnte und achtzehnte.“

„Und wirst der einundzwanzigste sein.“

„Oder Nummer dreiundzwanzig. Da bin ich nicht so.“ Das zusammen mit einem gönnerhaften Lächeln.

Langsam rasteten in meinem Kopf die Denkrädchen ein: Herbert führte seinen privaten Handelskrieg gegen die Chinesen.

„Und wenn die nicht mehr spuren, weil Du alle Naselang vor der Tür stehst und eine neue Maschine abgreifst?“

„Tja, dann kommt die amtliche Nummer. Ich lass den Substituten in dem Laden antanzen, und dem mach ich Angst. Das arme Würstchen kann eine Phase nicht vom Schutzleiter unterscheiden, also erzähl ich ihm einen von Motorüberlastung, schmorenden Kabeln, einem gepflegten Hausbrand und den Schadenersatzforderungen, die geradewegs auf ihn einprasseln könnten.“

Angesichts der beeindruckenden Zahl von Feuerlöschern, die Herbert strategisch im Haus verteilt hatte, war der einzige Hausbrand, der mir bei ihm denkbar erschien, einer aus seinen sauren Mirabellen, die er jedes Jahr mit feierlicher Miene vom kümmerlichen Bäumchen zupfte.

„Na klasse!" seufzte ich abermals, erschüttert von der fehlgeleiteten Kreativität meines Nachbarn. „Da sitzt nun ein harmloser Fischdosenverkäufer und bangt um seine Zukunft, und irgendwo starrt ein Importeur aus seinem Fenster westfälische Schieferfassaden an und zerbricht sich den Kopf darüber, warum bei unserem Billigkauf die Reklamationsquote ins Unermessliche steigt. Was bringt dir das?“

„Zufriedenheit!“ Die Antwort kam wie vom Bogen geschossen. „Natürlich nicht nur: Ich rotte die Dinger aus. Der Lärm macht mich fertig, also müssen die Laubsauger weg.“

Ich dachte an Herberts Motormäher, an die Oberfräse in seiner Werkstatt, seinen 1200-Watt-Winkelschleifer und was sich sonst noch in seinem bis an die Zähne bewaffneten Haus tummelte. „Ich hab gehört, die Bundesregierung will die Dinger sowieso verbieten", murmelte ich.

Herbert richtete sich zu seinen vollen 167 Zentimetern auf. „Sieg!“ verkündete er stolz. „Ich hab’s gewusst.“ Mit einer eleganten Bewegung seines kleinen Fingers schnippte er den Sicherungsschalter hoch und stapfte los. Ein Blick über die Schulter: „Komm, noch ne Flasche Bier aufmachen.“ Nach kurzer Pause ein befriedigtes Nicken. „Und dann, dann schalten wir mal meinen neuen Häcksler ein." [ha]







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