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Preisführerschaft

Der Preis ist heiß!



Auch dies ein Trend, der zur Jahrtausendwende in den Baumärkten kuriose Blüten trieb: Preise senken, bis der Arzt kommt, Was draus geworden ist, kann man heute, etliche Jahre später, an der Zahl der noch verbliebenen Baumarktketten ablesen. Bei manchen wurden eben die Preise gesenkt, bis der Insolvenzverwalter kam. Wir verkneifen uns jetzt das „Hab ich doch gleich gesagt ...“ und lassen Sie hier einfach einen kurzen Blick auf die Szenerie der späten 90er und frühen 00er werfen.





Manchmal fragt man sich ganz ernsthaft, was in den Köpfen der Branchenkapitäne so vor sich geht: Vor ein paar Tagen flatterte uns eine Pressemeldung auf den Tisch, in der eine große Baumarktkette vermelden ließ, man sehe sich auf dem besten Weg, mit einer konsequent Woche um Woche vorangetriebenen Preissenkungskampagne „die Preisführerschaft gegenüber Mitbewerbern zu sichern“.

Soweit so gut – den Käufer wird’s zunächst freuen, wenn er mehr und mehr Artikel für kleines Geld nachgeworfen bekommt, für die er noch 7 Tage zuvor etwa 10 Prozent mehr hätte bezahlen müssen. Über die Risiken und Nebenwirkungen wird er jedoch weder vom Arzt noch vom Apotheker aufgeklärt – die bekommt er auf die Dauer am eigenen Leib zu spüren. Und auf den Händler werden sie in bester Bumerang-Manier zurückkommen.

Über die Jahre hinweg hat der Einzelhandel seine Kundschaft auf den Preis als wichtigstes Kriterium für die Kaufentscheidung getrimmt. Hauptsache billig. Das führte zu sinkenden Gewinnspannnen, zu immer geringeren Endsummen auf dem Kassenbon und schließlich zu großen Ansammlungen von Fernost-Schrott in den Baumarkt-Regalen. Denn: qualitativ hochwertige Markenartikel kann man nicht zum beliebig kleinen Preis produzieren. Da muss dann schon der Spezialist für Bohrmaschinen-Attrappen aus Shanghai einspringen, die indische Garagenmanufaktur, die Hämmer aus Weichmetall mit astigen Stielen liefert, oder der taiwanesische Hinterhof-Produzent von gewendelten Metallbolzen, die einem brauchbaren Spiralbohrer täuschend ähnlich sehen. Dem Käufer wird suggeriert, er könne mit derlei Kirmesware wirklich arbeiten; doch wenn er dann mit den erbärmlichen Arbeitsergebnissen konfrontiert ist, wird er den Tand frustriert in die Ecke werfen. Und übelnehmen. Mit Recht!

Übelnehmen werden auch die Hersteller von Markenware. Entweder lassen sie sich auf die Billighökerei ein, kaufen die Konkurrenz aus den Baumarktregalen raus und liefern tränenden Auges Maschinen und Handwerkzeug mit Minimalgewinn. Oder sie produzieren gleich da, wo auch die asiatische Konkurrenz zu Hause ist, und setzen ihren einheimischen Mitarbeitern notgedrungen den Stuhl vor die Tür. Dass in einem solchen Klima Innovationskraft, Investitionswille und Erfindergeist ganz geschwind den Bach runtergehen, liegt auf der Hand. Und wer früher im schwäbischen Bohrmaschinengürtel rund um Stuttgart sein Auskommen als Facharbeiter hatte, darf dann Mobilität bis in die mongolische Prärie beweisen, um seine Kenntnisse für eine Schüssel Reis einzusetzen.

Vorausgesetzt, ein Preisaktivist erreicht sein Ziel und lockt tatsächlich die Kundenströme vom Mitbewerber in die eigenen Hallen, dann wird das wohl angesichts der zwangsläufig kleinen Gewinnspannen wohl immer noch nicht reichen, die Mienen der Aktionäre so richtig strahlen zu lassen. Da müssen flankierende Maßnahmen her – und auch die kennen wir seit Jahren. Zum einen wird das Sortiment optimiert. Im Lebensmittelhandel hat es Aldi von Anfang an vorgemacht: Wer sich fast ausschließlich auf Schnelldreher und Waren des Grundbedarfs konzentriert, kann auch bei Niedrigpreisen noch die Kassen füllen. Für den Heimwerker bedeutet das ein eingeschränktes Angebot. Haben Sie schon einmal versucht, in einem Baumarkt Gehrungsklammern zu kaufen? Wir haben es vor nicht allzu langer Zeit probiert. „Geht nich, gibt’s nich, ham ’wer nich!“ – die alte Leier der früheren osteuropäischen Zwangsbewirtschaftung erlebte allenthalben eine neue Blüte. Dass ein deutscher Markenhersteller kistenweise auf derlei Ware sitzt, half uns wenig, da niemand sie uns verkaufen wollte oder konnte (ein kleiner Eisenwarenhändler löste schließlich das Problem).

Und gleich eine weitere Auswirkung der sogenannten Preisführerschaft wurde uns bei dieser Suche schmerzlich bewusst: Schon der Begriff „Gehrungsklammer“ trieb den Fachberatern im Schatten der Hochregale reihenweise die Schweißperlen auf die Stirn. Sie kannten das Wort nicht. Für den Mann auf der Straße keine Schande, für den Mann am Regal eine Blamage – und für seinen Arbeitgeber gleich mit. Dessen Klage kennt man zwar („Man bekommt heute einfach kein gutes Personal mehr ...“), aber mit Schmalspurgehältern aus Schmalspurerlösen kann man eben auch nur Schmalspurberater finanzieren. Die wissen dann, was wo im Regal steht (zumindest im seltener werdenden Glücksfall), aber mehr auch nicht.

Wohin das alles führen kann, ist also klar: Der Käufer wird mit schmalen Sortimenten zu Kampfpreisen beglückt, wird von überforderten Regalnachfüllern mit Abwehr- und Ausfluchtvokabular abgespeist, sitzt im Extremfall vor unbrauchbarem Material und darf sich in den Abendnachrichten noch die Horrormeldungen über Arbeitsplatzabbau und sinkendes Investitionsvolumen zu Gemüte führen.

Lediglich eine Branche kann sich freuen: Die der Juristen und Betriebswirte, die schon in der Vergangenheit in einem Job als Insolvenzverwalter auf mancher Akte die kaufmännische Grabinschrift hätten verewigen können „Ich hatte die Preisführerschaft“. [ha]





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