News für Heimwerker

Heimwerken | Bauen | Garten | Do it yourself

Sprechende Namen

Brecht, Goethe, Lugato. Oder so.



Wir haben die weitere Entwicklung nicht mehr so richtig verfolgt, aber um die Jahrtausendwende gab es den Trend, Bauprodukte mit Namen zu versehen, bei denen auch der Dümmste sofort wusste, was er vor sich hatte. Zumindest konnte er sich eine recht konkrete Vorstellung vom Einsatzzweck machen. Ob das nun gut war oder schlecht – zumindest hatte der literarisch interessierte DIY-Anhänger etwas zum Nachdenken.





Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir - den Satz können wir alle im Schlaf daherbeten. Und fast jeder hat wohl als Dreikäsehoch heftig am Sinn dieser Behauptung gezweifelt. Viel zu früh. Die Wahrheit kommt zuweilen durch die Hintertür ans Licht, und die Hintertür heißt in diesem Fall „Do-it-yourself“. Und zwar für einen alten Bekannten aus dem Deutsch-Unterricht.

„Jetzt hat's die Leute gehirnmäßig erwischt“, denken Sie?

Ganz und gar nicht. Der Beweis folgt auf dem Fuß: Wer in der Schule Goethe, Brecht und etliche andere Dichterfürsten zerpflücken durfte, bis nichts mehr übrigblieb, ist früher oder später auf die „sprechenden Namen“ gestoßen. Oder gestoßen worden. Der „sprechende Name“ ist der schriftstellerische Wink mit dem Zaunpfahl. Wenn da eine Stadt bei Brecht „Überall“ hieß, dann sollte das heißen, dass die Geschichte irgendwie überall spielt oder auch nirgends. Oder so. Kapiert? Ist nicht wichtig. Hauptsache, der Name spricht zu uns. Oder so.

Wie dem auch sei: Auch in deutschen Marketing-Abteilungen sitzen Menschen mit Bildung. Sie haben Mathematik gelernt, um die Gewinne zu berechnen, Englisch, um bei Arbeitsmeetings mit den geläufigsten Business-Vokabeln zu hantieren, und Brecht haben sie gelesen – jetzt kommt’s! –, um Produkte zu benennen. Glauben Sie nicht? Aber hallo!

Wenn sich die redaktionsinterne Geschichtsschreibung nicht täuscht, hat Lugato damit angefangen. Eines Tages hieß der Ausgleichsspachtel „Dicke Schicht“. Klasse! Nun war das Ende jener Zeiten eingeläutet, in denen hilflose Heimwerker durch die Gänge ihres Baumarktes irrten, um das geeignete Mittel für dicke Schichten zu finden. „Hallo, hier bin ich!“ winkte es fortan vom Regal. Gleich daneben sprachen auch „Drauf und sitzt“ oder „Beste Basis“ die verlorenen Schäfchen an und leiteten sie auf den rechten Weg.

Das konnte andere nicht ruhen lassen. „Dichte Wand“ verkündete MEM von der elegant gestylten Packung. Gleich daneben zeigte der „schwarze Blocker“, was in ihm steckt. Bei Henkels in Düsseldorf war man bass erstaunt – aber nicht lange. Man setzte noch eins drauf und kam vom sprechenden Produktnamen gleich zum integrierten Werbespruch. Vielleicht auch, um die Erfinder der „Megaperls“ drei Büroblocks weiter vor Neid ergilben zu lassen, heißen die Sachen nun „Nie mehr kleckern“, „Nie mehr abwischen“, „Nie mehr hängenbleiben“. Oder so. Auf Neudeutsch nennt man das „Convenience verbalisieren“ – also die Bequemlichkeit in Worte fassen. Wir warten zur nächsten Eisenwarenmesse bzw. DIYtec schon gespannt auf „Nie mehr arbeiten“, in der werkzeuglos zu öffnenden Kartusche, selbstverständlich. Die Kassenschlager „Immer gut drauf“ oder „Allzeit bereit“ kann man da getrost den Pharma-Konzernen überlassen. Leider-leider!.

In der Heimwerker-Branche ist noch genug Nachholbedarf. Wo bleibt zum Beispiel die gelb-schwarze Flasche mit dem Label „Klebt wie der Teufel“? Oder die Spax-Schachtel namens „Drehen, drücken, drin“? Vom Allerfeinsten auch der Hammer „Hau drauf“ oder der Kettensägen-Schnellstopp „Nie mehr Notarztwagen“. „Ich bin drin“ (ideal für die Schlagbohrmaschine) hat sich ja leider schon AOL gegriffen und vermutlich bis zum Jüngsten Tag per Wortmarkenschutz abgesichert.

Trotzdem: Wir werden noch interessante Zeiten an der Vermarktungsfront erleben - Deutschlehrer werden mit ihren Klassen durch die Baumärkte ziehen und das Konzept des sprechenden Namens erläutern.

Nur in der Farbenabteilung werden sie blass aussehen. Wenn der durchschnittliche 14jährige in dem altersgemäßen Kompromiss zwischen Liegen, Stehen und Kopfnicken offenen Mundes die Glas(!)flaschen eines Traditionslieferanten anstaunt, auf deren Papier(!)etikett in vornehmem Understatement seit Urväterzeiten ein gediegenes „C 12“ steht. „Voll krass!“ wird es da dem „Nie mehr Uncool“-Konsumenten entfahren. Tja, Brecht, Goethe, Kafka – macht was draus! [ha]





Social Icons

Google Facebook Twitter